Es ist interessant, dass es bislang noch immer keine öffentliche Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung zu den Wahlen in Israel und zur Bildung einer rechtsradikalen Regierung, der drei verurteilte Rechtsbrecher angehören, gibt. Ob es inzwischen einigen bei schwarz/grün klar geworden ist, was da nicht nur auf die Palästinenser*innen sondern auf die ganze Welt zukommen wird? 

Dass wir uns im wahrsten Sinne des Wortes „warm anziehen“ müssen, haben bereits die ersten Tage nach der Amtsübername gezeigt. Der eine, wegen Terrorismus verurteilte, hat gleich einmal einen provokanten Besuch auf Haram al-Sharif (Tempelberg) absolviert und dabei den absoluten Anspruch des jüdischen Volkes auf ganz Palästina unterstrichen. Der andere, wegen Korruption verirteilte, hat gleich einmal angekündigt, dass er Gelder, welche der Palästinensischen Autonomie gehören, einbehalten (man könnte auch einfach stehlen sagen) wird. Man könnte die Liste von Schrecklichkeiten, die da noch kommen werden, endlos fortsetzen. Dazu aber ein anderes Mal.

Wie gesagt, ich habe mir zunächst einmal erlaubt, den Bundeskanzler und seinen Außenminister zu fragen, wie denn nun „unsere“ Bundesregierung zu dieser rechtsradikalen, faschistoiden Rechtsbrechertruppe steht. Denn bislang gab es dazu – zumindest öffentlich – nichts zu hören und zu sehen. Angesichts der Tatsache, dass die österreichische Bundesregierung die über Jahrzehnte bekannte und weltweit anerkannte Haltung zum Nahostkonflikt radikal verändert hat – kann sich jemand an eine öffentliche Debatte darüber erinnern? Ich nicht! – wäre es ja interessant, wie sich sich dazu stellt, dass es eine Regierung in Tel Aviv gibt, die sich offen zur Vertreibung und Enteignung des Palästinensischen Volkes bekennt. Dass dies auch die Politik aller Vorgängerregierungen, also seit der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 gewesen ist, wissen wir, nur hat man sich dazu nicht bekannt. Jetzt bekennt man sich dazu, da man ja auch von der absoluten Überlegenheit des jüdischen Volkes überzeugt ist. Dass dies rassistisch ist und die Grundlagen des seit 1945 geltenden Völkerrechtes verleugne, ist eine Tatsache, an die sich manche in der Welt, offensichtlich auch am Ballhausplatz, gewöhnen müssen.

Ich habe mir daher erlaubt, den folgenden Brief an Nehammer und Schallenberg zu richten. Ob eine Antwort kommen wird, ist fraglich, aber wir werden nicht aufgeben.

Fritz Edlinger

Die ausgezeichnete Ansprache des Palästinensischen Botschafters Salah Abdel Shafi bei dem heutigen Empfang anläßlich des Internationalen Solidaritätstages mit dem Palästinensischen Volk hat mich zu der folgenden ergänzenden Stellungnahme motiviert:

Salah Abdel Shafi hat völlig zurecht die Solidarität und Unterstützung Österreichs für das Palästinensische Volk seit den frühen Siebziger Jahren erwähnt und sich dafür herzlich bedankt, er hat aber – in diplomatisch gebührender zurückhaltender Weise – auch sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass sich Österreich zuletzt bei einer Abstimmung in den Vereinten Nationen gegen eine Resolution, welche die völkerrechtlichen Ansprüche Palästinas unterstützt, ausgesprochen hat. In nicht-diplomatischer Ausdrucksweise würde ich dieses Verhalten Österreichs auf das Schärfste kritisieren und auch darauf hinweisen, in welcher „guten“ Gesellschaft sich Österreich auf internationaler Ebene inzwischen befindet.

Hier nun einige Details: Die Resolution A/C.4/77/L.12/Rev.1 „Israeli practices affecting the human rights of the Palestinian people in the Occupied Territory including East Jerusalem“ vom 10.11.2022 wurde mit 98 Stimmen bei 17 Gegenstimmen und 52 Enthaltungen angenommen. (Den Text kann man bei dem unten angeführten Link abrufen). Sehen wir uns die 17 Gegenstimmen näher an: Davon kamen sieben aus Europa und 10 aus dem Rest der Welt. Die europäischen Staaten waren neben Österreich: Deutschland, Estland, Italien, Litauen, Tschechien und Ungarn. „Interessant“ wird es bei den zehn Nicht-Europäern: Australien, Guatemala, Israel, Kanada, Liberia, Marshal Inseln, Mikronesien, Nauru, Palau und USA. Um es etwas pointiert zusammenzufassen: Österreich befindet sich auf globalem Niveau inzwischen bei den hard-core Israelunterstützern und den für ihre US-ferngesteuerte Politik bekannten Staaten wie Marschall Inseln, Mikronesien, Nauru und Palau. Ja und in Europa sind ja ultrarechte nationalistische Länder, die wie Ungarn schon mit EU-Sanktionen belegt sind, unsere besten Freunde.

Dass dieses Abstimmungsverhalten Österreichs kein einmaliger Ausrutscher war, untermauern ähnliche Verhaltensweisen im Rahmen von Unterorganisationen der Vereinten Nationen, z.B. des Menschenrechtsrates, in den vergangenen Jahren.

Naja, die Beflaggung des Bundeskanzleramtes und des Außenministerium mit der israelischen Fahne bei den jüngsten israelischen Militäraktionen in Gaza, sollte nicht ganz in Vergessenheit geraten. Auch nicht die zahlreichen, vor allem unter türkis-blau begonnenen, Staatsbesuche in Israel, sowie die enge Zusammenarbeit mit der israelischen Armee.

Dass es bis dato noch immer keine offizielle Stellungnahme Österreichs zu dem Wahlergebnis in Israel und der inzwischen schon Realität gewordenen Tatsache, dass Angehörige faschistischer israelischer Parteien führende Funktionen in der nächsten israelischen Regierung übernehmen werden, ist wohl auch kein Zufall. Offensichtlich konnte man sich noch nicht darauf einigen, wie man diese Typen willkommen heißen wird.

Kurzum: Österreich hat beim israelisch-palästinensischen Konflikt die Seiten gewechselt!

Dass sich Österreich auch in anderen Grundsatzfragen immer mehr von menschenrechtsorientierten Positionen entfernt, wurde in den letzten Tagen gleich zweimal dokumentiert: in der Allianz mit Ungarn und Serbien in der Asylpolitik sowie in den Appellen führender ÖVP-Politiker zu einer Modernisierung (sprich Verschlechterung) der Menschenrechte. Die Österreichische Bundesregierung erweist sich meiner Meinung nach – im Widerspruch zum grünen Juniorpartner – ganz klar als konsequenter Verfechter der unter Sebastian Kurz begonnenen türkisen Ultra- Rechtspolitik.

Apropos Sebastian Kurz und österreichische Nahostpolitik: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der „private Businessmann“ Kurz nun Beirat in dem von Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner gegründeten „Abraham Accords Peace Institute“ wird. Wesentliche Aufgabe dieses Institutes ist es, die durch den Abraham Accord zulasten der Ansprüche des Palästinensischen Volkes getroffenen Vereinbarungen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten weiter zu treiben und vor allem auch für die Beteiligten profitabel werden zu lassen. Somit ist der von Donald Trump favorisierte europäische Politiker zurück im rechten Lager.

Es gäbe – leider – noch weitere Beispiele für ein schrittweises aber konsequentes Abrücken von traditionellen Positionen der österreichischen Außenpolitik. Offensichtlich fühlt sich der gegenwärtige österreichische Außenminister nach wie vor als Kurzianer.

Fritz Edlinger
Präsident
Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen