#14: Birzeit übt Solidarität mit den Universitäten und StudentInnen in Gaza
Ein Jahr Genozid in Gaza. Die israelischen menschenverachtenden Angriffe gehen ohne Unterbrechung weiter. Zuletzt die erschütternde Meldung: Israel will Ärzte und Pfleger im Kamal Adwan Krankenhaus im Norden des Gazastreifens zwingen, das Krankenhaus zu verlassen und ihre Arbeit dort aufzugeben. Aber Direktor Dr.Hossam Abu Safia weigert sich:
„Solange wir Patienten haben, werde ich nicht gehen….Ich bin hier seit Beginn des Völkermordes und ich bin fest entschlossen, weiter meinem Volk zu helfen.“
Israel plant, den gesamten Norden des Gaza-Streifens ethnisch zu säubern, sprich alle Menschen dort – also mindestens 400.000 – zu vertreiben.
Seit einem Jahr läuft die Mord-und Zerstörungsmaschine „israelische Armee“ in Gaza: Menschen und vor allem Kinder, Ärzte, Journalisten und nicht zuletzt Intellektuelle und Professoren sowie deren Studenten. Im Gazastreifen steht keine Universität mehr. Studentinnen und Studenten können nicht mehr studieren.
www.birzeit.edu
Hier setzt die Universität Birzeit ein mit ihrem Aufruf „Rebuilding Hope“, neue Hoffnung für Universitäten und Studenten in Gaza. Der Aufruf zeigt deutlich, wie in Birzeit das vergangene Jahr verstanden wird: Der Versuch, die einheimischen Palästinenser regelrecht auszulöschen durch den zionistischen Siedlerkolonialismus. In diesem Kontext, so der Aufruf weiter, werden „Institutionen mit massiver Gewalt attackiert, jede Infrastruktur wird zerbombt; die Kultur wird zerstört, um die schlichte Existenz einer kollektiven nationalen Identität zu verhindern, … einschließlich jeder nationaler politischer Zukunft.“
https://www.birzeit.edu/en/rebuilding-hope
Hier sieht sich die Universität Birzeit gefordert, „moralisch wie national“. Sie muss und will eine aktive Rolle in Gaza ergreifen, aufgebaut auf der Vision zweier Konzepte: „institutional mutual reinforcement“, also gegenseitige institutionelle Stärkung, „indem sie Universitäten in Gaza, Akademiker und Studenten dort unterstützt, damit diese wieder ihre zentrale Rolle in der Gesellschaft aufnehmen können“. Das zweite Konzept ist „der Versuch, neue Hoffnung in Gaza zu ermöglichen, trotz der genozidalen Zerstörung“.
Birzeit sieht sich verpflichtet, voranzugehen in der Konfrontation des Siedlerkolonialismus und seiner Logik der Eliminierung aller Palästinenser. Das bedeutet nicht zuletzt die Betonung der Standhaftigkeit gegenüber diesen Herausforderungen. Deshalb unterstützt Birzeit alle Universitäten in Gaza mit „institutioneller Synergie, Universitätsbildung sowie der Schaffung transformativen Wissens, das lokal verankert ist und in direkter Verbindung zu den materiellen und sozialen Voraussetzungen für den Wiederaufbau Gazas steht.“
Birzeit sieht sich als „das Zentrum für palästinensische, arabische und internationale Initiativen zur Unterstützung der universitären Bildung in Gaza“.
An erster Stelle steht die Herstellung von Partnerschaften mit Universitäten in Gaza. Birzeit will eine regelrechte globale Koalition von Universitäten schaffen, die Akademiker in Gaza unterstützen, damit sie dort bleiben und ihre Universitäten wiederaufbauen können.
Birzeit: die älteste Universität in Palästina
Zweitens muss eine enge Zusammenarbeit entstehen zwischen akademischen Lehrern in Birzeit und weltweit und ihren Kollegen in Gaza. Das heißt auch, dass Studenten in Gaza ein regelrechtes Fernstudium aufnehmen können auf hohem akademischen Niveau. Studenten brauchen dazu sowohl psychologische wie soziale Unterstützung. Ihre Abschlussarbeiten, ihre Master-und Ph.D. Thesen müssen betreut werden. Birzeit ist bereit, Studenten auch physisch in Birzeit aufzunehmen in dem Moment, in dem diese wieder aus Gaza ausreisen können.
Transformative Forschung ist das dritte Ziel, das Birzeit mit seiner Intervention anstrebt. Nur damit kann Gaza „materiell, sozial, kulturell und ökologisch wiederaufgebaut werden“. Dieser Aufbau, und das ist entscheidend, kann nur im lokalen kulturellen Kontext und auf der Basis palästinensischer politischer Souveränität erfolgen. Wiederaufbau durch internationale, letztlich koloniale Interventionen auf der Basis der Logik von Macht ist nicht nur kontraproduktiv; jeder Versuch in diese Richtung muss entschieden zurückgewiesen werden.
Am Schluss steht ein Aufruf an Studenten aus Gaza: macht hier einen Klick und füllt Eure Bewerbung zum online-Studium in Birzeit aus.
„Unser Wille ist unerschütterlich… Wir alle sind Gaza“. Damit endet Birzeits „Rebuilding Hope“.
Die Al Quds Universität in Gaza…
In Gaza gibt es traditionell zwei große Universitäten: die Islamische Universität und die Azhar Universität. Die Islamische Universität war die erste Universität in Gaza, als sie 1978 gegründet wurde. Sie wurde immer wieder von der israelischen Armee bombardiert, sowohl im Krieg 2008/9 als auch im Krieg 2014. Die totale Zerstörung erfolgte im Krieg seit dem Oktober 2023. Ihr Präsident, Professor Sufyan Tayeh, wurde zusammen mit seiner gesamten Familie im Jabaliya Flüchtlingslager ermordet … einer von zahllosen Akademikern und Intellektuellen.
Die Al-Azhar Universität wurde 1991 etabliert. Beide Universitäten liegen einander direkt gegenüber in der Stadt Gaza. Nach Abzug der israelischen Siedlungen und der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen 2005 wurden Ableger beider Universitäten in Khan Yunis in den ehemaligen Siedlungsgebieten errichtet, vor allem für die Studenten aus dem Süden bis hin nach Rafah.
Die drittgrößte Universität ist die al-Aqsa Universität, an der speziell zukünftige Lehrer studieren. Sie wurde genau wie al-Azhar 1991 gegründet (nach einigen Angaben existiert sie wohl schon seit 1955).
Im Mai traten diese drei Universitäten mit einem emergency Komitee an die internationale Öffentlichkeit. Ihr Ziel war/ist es, internationale Unterstützung zu bekommen, damit alle Universitäten in Gaza zum frühest möglichen Zeitpunkt wieder lehren und forschen können.
Daneben gibt es mindestens sieben weitere größere und kleinere Universitäten und Colleges. Laut offiziellen Angaben studieren etwa 100.000 junge Menschen aus Gaza an diesen Universitäten und Colleges.
Alle wurden seit dem Oktober 2023 von der israelischen Armee in Grund und Boden gebombt bzw. mit Sprengstoff in die Luft gejagt und zerstört.
Im Bericht „Scholasticide“ der Menschenrechtsorganisation al-Mezan in Gaza vom zweiten September 2024 lesen wir von mehr als 10.000 getöteten Schülern und Studenten und von mehr als 500 getöteten Lehrern und Professoren.
https://www.mezan.org/en/post/46514
Auch die Universität Bethlehem, genau wie Birzeit eine christliche Gründung, an der ebenso wie in Birzeit die Mehrzahl der Studenten Muslime sind, ruft auf zur solidarischen Unterstützung der Universitäten in Gaza. Der Vize-Präsident der Universität, der einzigen katholischen Universität im besetzten Palästina, Brother Hernán Santos González, PhD, formuliert klar und unzweideutig:
„Der 7. Oktober zeigte der Welt unübersehbar die Gewalt, das Unrecht und die Tötungen, die seit über siebzig Jahren illegaler Besetzung der palästinensischen Gebiete das Heilige Land heimsuchen.“ … „Wie Papst Franziskus… sagte, Gewalt, Unrecht und Tötungen begannen nicht am 7. Oktober…” “Der Nahe Osten braucht keinen Krieg, sondern Frieden, Frieden auf der Basis von Gerechtigkeit, Dialog und dem Mut zu Brüderlichkeit”, so die Worte des Papstes.
„… die grauenhaften Angriffe auf Gaza führten zu 50.000 Toten, darunter mehr als 11.000 Kinder. Alle zwölf Minuten wird ein Mensch in Gaza getötet. Es war ein Jahr des Todes und der Zerstörung, in der Westbank, in Gaza, in Jerusalem und zuletzt im Libanon. Unser Land steht unter Militärbesatzung und unsere Gemeinden müssen die Auswirkungen von Krieg und illegaler Besatzung ertragen. Das Leid hat unvorstellbare Ausmaße angenommen.“
Der Vize-Präsident fordert die Leser seines Briefes zu einem Jahr Krieg und Völkermord in Gaza auf, sich dem Aufruf des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Kardinal Pizzabella, sowie des Papstes anzuschließen im einem Tag des Gebetes und des Fastens für Frieden in der Welt, ganz besonders aber im Nahen Osten.“
Abschließend betont Bruder Gonzalez „die Rolle der Universität in ihrem Dienst an der Menschheit im Zeichen von Menschlichkeit. Die Universität ist dem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden verpflichtet. Erziehung und universitäre Bildung sind unser Weg zum Aufbau einer Gesellschaft, in der alle in Würde, Sicherheit und Frieden leben können, unabhängig von Nationalität, Religion oder politischer Einstellung.“
„Die Universität Bethlehem erzieht zu kritischem Denken, damit sie …Bürger heranbildet, die der Wahrheit, der Gerechtigkeit und dem Allgemeinwohl verpflichtet sind.
Die Welfare Organisation (Taawun) https://taawon.org
aus Ramallah schließlich hat ein neues Programm gestartet zur Unterstützung von Studenten und Universitätserziehung in Gaza.
Ziel ist die Bereitstellung von 16 Millionen US Dollar, damit 30.000 Stipendien für zwei Semester vergeben werde können. 15.000 Studenten in Gaza sollen über ein Fernstudium ihre Universitätsbildung weiterführen können. Palästinensische Universitäten in Gaza sollen erhalten bleiben und weiterentwickelt werden.
„Sie sind entschlossen weiterzumachen… Ihr könnt sie dabei unterstützen.“